Mach mal Pause … von der Bedeutung der Regeneration

by Monika Zilliken (CvD/bas)
Mach mal Pause ... von der Bedeutung der Regeneration

(CvD/bas) Belastungstests, Videoanalysen … ausgeklügelte Trainingspläne, was wird nicht alles ins Schwimmtraining gepackt. Und doch wird ein Faktor im Trainingsprozess oft unterschätzt bis sogar vergessen: Ohne Regeneration, ohne Pause keine Leistungssteigerung. Es gibt Situationen im Leben eines jedes Sportlers, wo Pause sprich Erholung die Trainingsmethode der ersten Wahl ist. Eigentlich ein alter Hut möchte man meinen, doch gerade Hobbysportler setzen sich enorm hohe Ziele, wollen häufig zu viel und das auch meist viel zu schnell. Viele wissen wie man trainiert, doch Sieger wissen zudem, wann es Zeit für eine Pause ist.

Doch warum ist Regeneration so wichtig?

Grundsätzlich macht man sich beim Training einen Anpassungsvorgang des Organismus zunutze, den man Superkompensation nennt. Was vielleicht kompliziert klingt, ist nichts anderes als ein genialer Schachzug der Natur: Werden zum Beispiel durch ein Schwimmtraining Belastungsreize gesetzt, ermüdet der Organismus, wodurch die momentane Leistungsfähigkeit sinkt. Kein Problem, wenn man nun dem Körper eine Erholungszeit gönnt, in der er sich „wiederherstellt“. Er stellt sich aber nicht nur wieder her, sondern versucht, sich über das Ausgangsniveau hinaus anzupassen. Er setzt alles daran, sich auf eventuelle, höhere Belastungen einzustellen, um so für die Zukunft besser gewappnet zu sein. Superkompensation wird in der Fachsprache mit „überschießende Wiederherstellung“ erklärt.

Phasen der Veränderung der Leistungsfähigkeit nach einem Belastungsreiz

Abb.1: Phasen der Veränderung der Leistungsfähigkeit nach einem Belastungsreiz – 1= Phase der Abnahme der sportlichen Leistungsfähigkeit, 2= Phase des Wiederanstiegs der sportlichen Leistungsfähigkeit, 3= Phase der Superkompensation bzw. der erhöhrten sportlichen Leistungsfähigkeit.

Belastung und Erholung – wohl dosiert

Die Kunst der Trainingssteuerung liegt nun in der optimalen Folge der Reizsetzung. Belastung und Erholung müssen daher als Einheit geplant werden. Werden Belastungsreize nämlich zu schnell hintereinander gesetzt, ohne dem Organismus die notwendige Zeit für Anpassung und Wiederherstellung zu geben, ist das Ergebnis Leistungsabnahme anstatt Leistungszunahme und im schlimmsten Fall mündet es in ein „Übertraining“ oder führt zu Verletzungen und Krankheit oder zumindest zum Burnout.

Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit durch optimal gesetzte Trainingsreize

Abb. 2: Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit durch optimal gesetzte Trainingsreize

Abnahme der sportlichen Leistungsfähigkeit durch zu schnell aufeinanderfolgende Belastungen

Abb. 3: Abnahme der sportlichen Leistungsfähigkeit durch zu schnell aufeinanderfolgende Belastungen

Erholung bzw. Wiederherstellung ist allerdings sehr spezifisch und jeder Sportler braucht zur Leistungssteigerung seine individuelle Wiederherstellungszeit. Etwas, was mit zunehmendem Alter immer wichtiger wird. Verdaut und verzeiht der Jugendliche intensive und schnell aufeinander folgende Belastungsspitzen noch einigermaßen gut, sieht das beim älteren Sportler ein wenig anders aus.

Ein Fall-Beispiel

Zu theoretisch? Nehmen wir ein Beispiel aus dem Masterssport und einmal an, dass eine Serie von 10 x 50 m mit Start alle 55“ auf dem Trainingsplan steht. Die schnelleren und jüngeren des Teams schaffen die Serie mit Zeiten um die 35“ bis 40“ bei einer Intensität von ca. 80% ihrer augenblicklichen Bestzeit. Das bedeutet, dass sie vergleichsweise recht komfortable Pausen zwischen den einzelnen 50ern von bis zu 15“ haben.

Nennen wir unseren Masterschwimmer Pitt. Pitt will unbedingt mithalten, obwohl seine Bestzeit um einiges langsamer als die seiner Kollegen ist. Dadurch muss er ständig am Limit, also 100%, schwimmen, um bei dem vorgegebenen Intervall wenigstens 5“ Pause zu haben. Während das Set sich für die schnelleren eher im Bereich eines extensiven („langsamen“) Intervalltrainings abspielt, befindet sich Pitt permanent im roten Bereich eines sehr harten intensiven Intervalltrainings, allerdings einem mit unvollständiger Pause, heißt er steckt mitten im Training seines Stehvermögens. Klare Sache, hier wird in unterschiedlichen Bereichen trainiert, Trainingsreiz und physiologische Anpassungsvorgänge sind für Pitt völlig andere, als für seine schnelleren Kollegen.

Nehmen wir weiterhin an, dass die nächste Einheit wieder ein Set von 10 x 50 m ist, allerdings jetzt mit Start alle 1:10. Die schnelleren Schwimmer erhalten so genügend Pause, um einen 35er Schnitt zu schaffen mit ca. 35“ Pause. Das Verhältnis von Erholung zu Belastung läge hier folglich bei 1:1. Ein Verhältnis das sich als „schnelles“ Intervalltraining gut zur Verbesserung von Kraft und Schnelligkeit eignet.

Wieder versucht Pitt dranzubleiben, trotzdem reicht es aber nur für maximal 10“ Pause zwischen den einzelnen Wiederholungen. Für Pitt ist dies immer noch ein Intervalltraining mit nur kurzen Pausen. Sein Verhältnis von Erholung zu Belastung liegt bei 1:7. Normalerweise würde man hier von einem extensiven Intervalltraining sprechen und das Ziel wäre die Entwicklung der intensiven Ausdauer. Pitt trainiert alles andere als Kraft und Schnelligkeit, aber auch nicht für den Ausdauerbereich, da er um die Zeiten zu schaffen, ständig overpaced. Er läuft vielmehr Gefahr, über kurz oder lang in die Übertrainingsphase zu rutschen.

Die Lösung …

… mehr Pause! Bei einer Abgangszeit von alle 1:10 im ersten Set und alle 1:25 bis 1:30 im zweiten Set würde Pitt ähnlich viel Pause wie die schnelleren Teamkameraden haben und damit die gleichen Trainingsreize setzen können.

Pausen – wichtiges Mittel der Trainingssteuerung

Pausen sind demnach ein äußerst wichtiges Mittel der Trainingssteuerung – völlig gleich, ob innerhalb einer Trainingseinheit, eines Sets oder der gesamten Jahrestrainingsplanung. Es ist zwar richtig, dass man vergleichsweise schnell Trainingsadaptationen verliert, das heißt aber nicht, dem Körper deshalb nicht genügend Gelegenheit zur Erholung zu gönnen. Ganz im Gegenteil. Die m.E. vielfach anzutreffende Überbewertung eines umfangorientierten Trainings – was jetzt nicht meint, dass der Schwimmer kein Grundlagentraining im Bereich der Ausdauer benötigt – führt häufig dazu, dass Pausen im Trainingsablauf schon fast als Zeiträuber angesehen werden. Weil …, ja, weil man doch so viele Kilometer wie möglich abspulen will und muss. Doch der einzige Weg, um schnell zu schwimmen, ist, dieses Schnellschwimmen auch zu trainieren. Und dafür müssen im Training alle energetischen Systeme angesprochen und gefordert werden.

Um es „herunterzubrechen“:

Umfänge und „langsame“ Intervalle mit nur kurzen Pausen fördern die Ausdauer und legen die physiologischen Grundlagen. Für Schnelligkeit, für Laktattoleranzen wie sie im Wettkampf gebraucht werden, darf nicht nur das aerobe System gefordert werden, hier braucht’s die Intervalle mit hohen Belastungen und langen Pausen in ihren verschiedensten Formen.

Bildnachweis
© BilderKiste, Monika Zilliken (Foto1);
Abb. 1 bis 3 aus: Weineck, Jürgen: Optimales Training, 2010, Spitta Verlag GmbH & Co.KG, Balingen, (S. 52–53)

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